Nachruf Univ.-Prof. Dr. med. Marianne Springer-Kremser
NACHRUF UNIV. - PROF. DR. MED. MARIANNE SPRINGER-KREMSER
langjähriges Mitglied und Lehranalytikerin der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung
Leiterin der Univ.-Klinik für Psychoanalyse und Psychotherapie von 1998 bis 2009
Verfasst von Univ.-Prof. Dr. Stephan Doering, Leiter der Univ.-Klinik für Psychoanalyse und Psychotherapie
Zum Tod von o. Univ.-Prof. Dr. med. Marianne Springer-Kremser
(11.11.1940 – 26.02.2023)
Mit großer Bestürzung empfangen wir die Nachricht vom plötzlichen und unerwarteten Tod Marianne Springer-Kremsers. Sie war viele Jahre lang ein sehr aktives Mitglied der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung und sie leitete seit 1987 die Klinik für Psychoanalyse und Psychotherapie (vormals Klinik für Tiefenpsychologie und Psychotherapie) and der (Medizinischen) Universität Wien. Nach 11-jähriger supplierender Leitung wurde sie 1998 zur ordentlichen Professorin berufen und leitete die Klinik bis zu ihrer Emeritierung im Jahr 2009. Die Klinik für Psychoanalyse und Psychotherapie verstand sich immer schon als Partnerin der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung und später ebenso des Wiener Arbeitskreises für Psychoanalyse.
Als Psychiaterin und Psychoanalytikerin hat Marianne Springer-Kremser während ihres gesamten beruflichen Wirkens die Erforschung der Psychoanalyse aber auch der Psychosomatik und der Psychotherapie im Allgemeinen im Blick gehabt. Ihr wissenschaftlicher Schwerpunkt lag in der Psychosomatik, und darüber hinaus war sie eine der frühesten VertreterInnen der Gendermedizin – lange bevor der Begriff eingeführt wurde. Bereits 1974 gründete sie als Mitarbeiterin des damaligen Instituts für Tiefenpsychologie und Psychotherapie eine Psychosomatische Frauenambulanz als einen Liaisondienst in der Frauenklinik das Allgemeinen Krankenhauses. Im kommenden Jahr feiert die Frauenambulanz ihren 50. Geburtstag. Schon Mitte der 1970er Jahre publizierte Marianne Springer-Kremser die ersten wissenschaftlichen Arbeiten zum Thema sexueller Funktionsstörungen; die psychosomatischen Aspekte in der Gynäkologie sollten ein roter Faden in ihrem Werk bleiben. Sie habilitierte zum Thema „Psychosexualität und Gynäkologie“ und setzte sich intensiv mit der weiblichen Identität auseinander. Dabei scheute sie dort, wo sie Ungerechtigkeit oder Unrecht erlebte, nie die Auseinandersetzung – weder die politische noch die persönliche. Naheliegend war es, dass sie über viele Jahre hinweg dem Arbeitskreis für Gleichbehandlung der (Medizinischen) Universität Wien angehörte und hier unermüdlich für die Rechte und die Überwindung der Diskriminierung von Frauen einsetzte – in welcher Position an der Universität sie sich auch immer befanden.
Auch als Mentorin und Förderin (nicht nur) weiblicher Forscherinnen, Psychoanalytikerinnen und Ärztinnen war Marianne Springer-Kremser unermüdlich – nicht wenige ihrer MitarbeiterInnen hat sie bis zur Habilitation unterstützt und begleitet. Darüber hinaus war ihr die Aus- und Weiterbildung von ÄrztInnen ein großes Anliegen. Im Medizinstudium hat sie mit dem gesamten Klinikteam immer wichtige Aufgaben übernommen, im Bereich der postgraduellen Lehre lagen ihr die PSY-Diplome zur Vermittlung psychosomatischer und psychotherapeutischer Kompetenzen ebenso am Herzen wie die psychoanalytische Aus- und Weiterbildung.
Ein besonderes Verdienst von Marianne Springer-Kremser lag in ihrer entschlossenen Kampfbereitschaft für den Erhalt der Klinik für Psychoanalyse und Psychotherapie, deren Fortbestand mehr als einmal in Frage gestellt wurde.
Gegen Ende ihrer akademischen Karriere erhielt Marianne Springer-Kremser den Preis der Stadt Wien für Medizinische Wissenschaften und Volksbildung. Bis kurz vor ihrem Tod nahm sie aktiv am Vereinsleben der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung teil – einige von uns, die sie dort sahen, ahnten nicht, dass es die letzte Begegnung mit ihr sein würde.
Wir danken Marianne Springer-Kremser für ihre immensen Leistungen, von denen wir als Mitglieder der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung, als KollegInnen, SchülerInnen, einige als FreundInnen und alle als Menschen profitieren durften. Wir werden sie sehr vermissen!